Einkaufsrichtlinien

Einkaufsrichtlinien dienen dazu, verbindliche Regeln für die Beschaffung aller Güter eines Unternehmens zu erstellen. Diese Regeln reduzieren Unwirtschaftlichkeiten im Einkauf und verbessern das Unternehmensergebnis. Beispielsweise können klare Rollen und Zuständigkeiten definiert, die Lieferantenauswahl vereinheitlicht und Abläufe transparent gemacht, dokumentiert und verbessert werden. Darüber hinaus tragen Einkaufsrichtlinien dazu bei, dass der Einkauf stärker als bisher als strategischer Erfolgsfaktor eines Unternehmens wahrgenommen wird. In Großunternehmen ist die Konzeption einer solchen Richtlinie mit erheblichem Arbeitsaufwand verbunden. In kleinen und mittelständischen Betrieben genügt die Vereinbarung von relativ wenigen Vorschriften und Regeln, an die sich alle Mitarbeiter halten müssen.

1. Konkrete Beispiele

Durch die Einhaltung von Einkaufsrichtlinien und die Bündelung von Bestellungen bei wenigen Lieferern, können Sie als Unternehmen leicht 5 % bis 10 % Einsparungen erzielen, weil sich höhere Rabatte und bessere Konditionen erreichen lassen.

Darüber hinaus haben Einsparungen im Einkauf eine enorme Hebelwirkung und sind im Unternehmensergebnis sofort spür- und messbar. Damit hat eine Reduzierung der Einkaufskosten auch beträchtliche Auswirkungen auf das Ratingergebnis und die Kreditkonditionen.

Die folgenden Beispiele zeigen, welche positiven Auswirkungen sich für Ihren Betrieb ergeben können.

Beispiel 1 - Höhere Rabatte möglich: Ein Betrieb hat ein jährliches Einkaufsvolumen von 3 Mio. € ohne Nachlässe. Weil es keine Vorgaben für den Einkauf gibt, kann jeder Mitarbeiter bei Bedarf bestellen. Derzeit werden bei mehr als 15 Anbietern Waren bestellt, die im Schnitt Rabatte von 5 % gewähren. Somit muss das Unternehmen 2,85 Mio. € pro Jahr für die Einkaufsgüter bezahlen. Um noch höhere Einsparungen zu erzielen, verbessert das Unternehmen seine Einkaufsstrukturen und führt verbindliche Einkaufsrichtlinien ein. In diesen ist u. a. vorgeschrieben, dass Einkaufsmitarbeiter nur noch bei fünf namentlich genannten Lieferern bestellen dürfen und dass mit Lieferanten regelmäßig verhandelt werden muss.

Durch die Bündelung der Bestellungen und die Verhandlungen können Rabatte von durchschnittlich 8 % erreicht werden. Somit müssen – bei sonst unveränderten Bedingungen – für die Warenbeschaffung nur noch 2,76 Mio. € ausgegeben werden. Im Idealfall, wenn es keine Veränderungen bei Umsätzen und sonstigen Kosten gibt, erhöht sich somit der Gewinn um 90.000 € (2,85 Mio. € - 2,7 6Mio. €).

Beispiel 2 - Optimierung durch Ausnutzung von Skonto: Bisher wurde von den Lieferern kein Skonto gewährt. Mit der Konzentration auf wenige Anbieter und regelmäßige Verhandlungen konnte erreicht werden, dass in allen Fällen Skonto von 2 % gezogen werden darf. Bezogen auf das Einkaufsvolumen von 2,76 Mio. € ergibt sich nochmals eine Einsparung von mehr als 55.000 €.

2. Einfache Einkaufsrichtlinien für KMU

Im Folgenden finden Sie eine Übersicht mit Vorschlägen und Anregungen für Einkaufsregeln, unterteilt in

  • Einkauf und Beschaffung,
  • Anlieferung und Lagerung sowie

Die Regeln erheben keinen Anspruch auf absolute Vollständigkeit. Vielmehr müssen Sie die Vorschläge zumindest teilweise an die Anforderungen und Abläufe Ihres Unternehmens anpassen. Dazu können Sie z. B. Punkte streichen, verändern oder neue Regeln hinzufügen. Mögliche Alternativen und Ergänzungen der Regeln finden Sie in der rechten Spalte.

Wichtig ist, dass alle Mitarbeiter die Regeln erhalten. Zudem müssen Sie bekannt geben, ab wann die Bestimmungen gelten, und dass alle Beschäftigten verpflichtet sind, diese Regeln einzuhalten. Gleichzeitig sollte geprüft werden, ob bei Verstößen Sanktionen verhängt werden, etwa Verwarnungen oder Abmahnungen. Hier sollten Sie im Vorfeld unbedingt mit einem Anwalt sprechen und ggf. den Betriebsrat einbinden. Die Regeln sollten jährlich überprüft und bei Bedarf angepasst und ergänzt werden.

Regeln für Einkauf und Beschaffung

  1. Die Einkaufsregeln gelten für jede Beschaffung von Waren und Dienstleistungen. Ggf. sind Ergänzungen notwendig, etwa: Die Regeln gelten auch für Montage, Wartungen und Ersatzteile.
  2. Alle Bestellungen erfolgen zentral und ausschließlich schriftlich über den Einkauf.Alternativ/ergänzend: Büro-/Verbrauchs- und folgende Materialien kann jede Abteilung selbst einkaufen (Wichtig: Alle frei zu beschaffenden Güter konkret benennen, um Missverständnisse zu vermeiden).

    Bestellungen müssen auch hier schriftlich erfolgen.

    Ggf. Abteilungen und Ansprechpartner benennen, Liste mit zentral und dezentral zu beschaffenden Gütern erstellen und im Abstand von drei bis sechs Monaten aktualisieren.

    Hinweis: Je nach EDV-Ausstattung können auch Bestellungen über EDI oder Web-EDI als „schriftlich“ gelten.

  3. Bestellungen und die Beauftragung des Einkaufs dürfen nur vom Abteilungsleiter und dessen Vertreter vorgenommen werden.Alternativ Personen für jeden Bereich namentlich benennen.
  4. Auf jeder Bestellung müssen Einkauf und Besteller unterschreiben.Hier individuelle Regelung für Ihren Betrieb festhalten.
  5. Für jede Bestellung müssen folgende Daten vorliegen: Artikel, Artikelnummer, Bestellmenge, gewünschter Liefertermin, ggf. mit Terminen für Teillieferungen, Abteilung, ggf. Lieferadresse, Bestelldatum und Unterschrift Besteller.
    Möglichst Formblatt für Bestellungen mit allen Anforderungen einsetzen, in dem evtl. weitere Punkte aufgeführt werden, z. B. Anlieferorte bei Firmen mit mehreren Standorten, Kostenstelle Besteller oder Kontierungsdaten.
  6. Bei Bestellungen, die einen Betrag von X € überschreiten, müssen zwei (drei) Angebote eingeholt werden.
    Das gilt auch, wenn mehrere Teilbestellungen dazu führen, dass der Betrag insgesamt überschritten wird.
  7. Bestellungen von Büro- und Verbrauchsmaterial dürfen nur bei den Firmen X und Y erfolgen, mit denen es Rahmenvereinbarungen gibt.
    Sinnvoll, um bei Standardwaren höhere Rabatte auszuhandeln und die Abrechnung zu vereinfachen.
  8. Alle für die Beschaffung notwendigen Verträge werden vom Einkauf abgeschlossen, der evtl. dezentrale Beschaffer darüber informiert.
    Bei Bedarf die Abteilungen bzw. Personen benennen, die dezentral einkaufen dürfen, z. B. IT oder Vertrieb.
  9. Ein „freier“ Einkauf ohne Verträge ist nur in Ausnahmefällen zulässig. Betroffene Mitarbeiter erhalten ihre Ausgaben nur erstattet, wenn sie Rechnungen/Quittungen vorlegen, die den gesetzlichen Anforderungen genügen.
    Ausnahmen genau festlegen, etwa wenn bei Montage vor Ort beim Kunden kurzfristig Werkzeug oder Materialien benötigt werden. Ggf. beschreiben, welche Anforderungen Belege konkret erfüllen müssen.
  10. Soweit Skonto angeboten wird, besteht die Verpflichtung, dies ohne Ausnahme zu nutzen. Die Belege und Informationen sind unverzüglich an die Buchhaltung weiterzuleiten.
    Siehe auch Regeln für Anlieferung und Lagerung.
  11. Jeder Besteller verpflichtet sich, vor einer Bestellung zu prüfen, ob noch Waren oder Vorräte vorhanden sind, um die Bestände niedrig zu halten.
    Ggf. kann ein entsprechender Vermerk auf den Bestellformularen vorgesehen werden.

Regeln für Anlieferung und Lagerung

  1. Jede Lieferung wird mittels Eingangsprüfung auf Vollständigkeit und äußerlich erkennbare Mängel untersucht. Außerdem erfolgt ein Abgleich zwischen Bestellung und Lieferung (Lieferschein).
    Überprüft werden insbesondere: Menge, Warenart, Preise, Konditionen und Verpackungsschäden.
  2. Für alle zentral beschafften Güter übernimmt der Einkauf diese Prüfung.
    Alternativ: Die Überprüfung übernimmt die bestellende Abteilung.
  3. Für alle dezentral beschafften Güter übernimmt die bestellende Abteilung die Prüfung.
  4. Bei äußerlichen Mängeln oder unvollständiger Lieferung muss der Lieferer/die Spedition dies schriftlich bestätigen, sonst wird die Warenannahme verweigert.
    Hinweis: Bei dieser und den nächsten Regeln sind die Abläufe des jeweiligen Unternehmens abzubilden. Es kann zu größeren Abweichungen zu den Vorschlägen kommen.
  5. Eine Information über Mängel oder verweigerte Annahme geht an Einkauf und Buchhaltung. Der Einkauf/Besteller fordert den Lieferer zur Nachbesserung auf; die Buchhaltung prüft, ob eine Kürzung oder Aussetzung des Rechnungsbetrags möglich ist.
  6. Waren, die die Eingangsprüfung überstanden haben, werden im Lager geprüft und erfasst; die Übereinstimmung von Lieferschein und Wareneingang wird bestätigt. Soweit noch nicht geschehen, werden Einkauf und Besteller über den Wareneingang informiert.
    Überprüft werden insbesondere Fehlerfreiheit der Ware, soweit dies bei der Eingangsprüfung wegen Verpackung nicht möglich ist, Mengen, Gewicht usw.
  7. Bei unvollständiger oder fehlerhafter Lieferung wird der Anbieter vom Einkauf/Besteller unverzüglich schriftlich und mit konkreter Frist zur Nachlieferung bzw. fehlerfreien Lieferung aufgefordert. Auch hier erfolgt eine Information der Buchhaltung zwecks Rechnungskürzung usw.
  8. Jeder Wareneingang wird dem Einkauf unverzüglich gemeldet; notwendige Dokumente werden dem Einkauf nach den Prüfungen zur Verfügung gestellt. Der Einkauf leitet die Dokumente unverzüglich an die Buchhaltung weiter. Fehler, die zu Leistungskürzungen berechtigen, werden der Buchhaltung ebenfalls mitgeteilt.
    Alternativ: Jeder Wareneingang wird (auch oder zuerst) der Buchhaltung gemeldet.
  9. Bei Rechnungseingang prüfen Einkauf/Buchhaltung/Besteller die Übereinstimmung mit der Lieferung sowie ggf. Konditionen.
  10. Mit den Lieferanten wird ein genau definiertes Zeitfenster für die Warenanlieferungen abgestimmt. Lieferungen außerhalb des Zeitfensters können verweigert werden.
    Hintergrund: Einsparung von Arbeitszeit und Koordinationsaufwand.

Regeln für die Lieferantenauswahl

  1. Die Zusammenarbeit mit den Lieferanten ist langfristig angelegt, um einen dauerhaft hohen Standard in Sachen Qualität, Liefertermintreue und Konditionen zu erreichen. Die sorgfältige Eignungsüberprüfung der Anbieter ist daher von großer Bedeutung.
    Die Lieferantenprüfung wird jährlich wiederholt, um erreichte Standards zu sichern und auszubauen.
  2. Für jeden Lieferanten wird festgelegt, welche Produkte oder Dienstleistungen er liefern soll.
    Mindestunterteilung: Material/Rohstoffe und Büro-/Verbrauchsmaterial.
  3. Die Entscheidung für einen Lieferanten darf nicht ausschließlich unter Preis- und Konditionengesichts-punkten erfolgen. Jeder (neue) Lieferant wird zusätzlich auf Einhaltung folgender Punkte getestet und verpflichtet:
    - Qualität, Liefertermintreue,
    - Umtausch-/Kulanzverhalten,
    - Umweltengagement/Nachhaltigkeit sowie
    - Übernahme und ggf. Entsorgung von Verpackungen, Gebinden.
    Aufzählung ggf. ergänzen. Zudem muss zu jedem Punkt beschrieben werden, was darunter zu verstehen ist. Qualität kann z. B. bedeuten, dass der Lieferer alle Vorgaben und Anforderungen 100%ig einhält.
  4. Die Lieferantenprüfung und -auswahl erfolgt durch den Einkauf (alternativ: Geschäftsleitung).
  5. Bei jedem Lieferanten ist ein persönlicher Ansprechpartner bekannt, der bei Bestellungen, Problemen und Verhandlungen kontaktiert werden kann. Bei Abwesenheit der Ansprechpartnermüssen Vertreter rechtzeitig namentlich benannt werden.
    Ggf. festlegen, wann die Ansprechpartner erreichbar sein müssen und innerhalb welcher Zeiten Anfragen oder Bestellungen zu bearbeiten sind.
  6. Die Lieferanten werden verpflichtet, geplante Änderungen frühzeitig (mindestens drei Monate vor Inkrafttreten) mitzuteilen.
    Zeitraum vertraglich festhalten und möglichst so bemessen, dass man auf Alternativen ausweichen kann.
  7. Die Lieferanten werden verpflichtet, erkennbare Engpässe unverzüglich zu melden.
    Vertraglich ggf. Sanktionen bei Verstößen vereinbaren.
  8. Alle Vereinbarungen müssen schriftlich abgeschlossen werden; mündliche Verabredungen haben nur Geltung, wenn dies vom Einkauf bestätigt wird.
  9. Jedes Angebot wird durch den Einkauf geprüft; im Zweifel ist ein Jurist mit der Prüfung zu beauftragen.
  10. Für jeden Lieferanten muss mindestens ein Alternativanbieter vorhanden sein.

Teilen Sie diesen Artikel. Wählen Sie Ihre Plattform

Alle Informationen und Angaben in unseren Artikeln und Informationen haben wir nach bestem Wissen zusammengestellt. Sie erfolgen jedoch ohne Gewähr. Diese Information kann eine individuelle Beratung im Einzelfall nicht ersetzen.