Pflichten des GmbH Geschäftsführers in der Krise (2/5)
Kategorien: Krise
Schlagwörter: Gründung,KMU,Krise,Rechtliches
In dieser mehrteiligen Serie geben wir einen detaillierten Überblick über die Pflichten eines GmbH-Geschäftsführers in der Unternehmenskrise.
Überblick über die Serie:
- Überblick
- Vorbeugende Maßnahmen (aktueller Artikel)
- Durchführung einer Insolvenzprüfung
- Maßnahmen des Geschäftsführers in der Krise
- Persönliche Haftungsrisiken des Geschäftsführers
2. Vorbeugende Maßnahmen
2.1 Risikomanagement der GmbH
Bei der Führung der Geschäfte ist die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns anzuwenden (= objektiver Maßstab). Fehlende Kenntnisse des Geschäftsführers haben dabei keinen Einfluss auf den Pflichtenmaßstab. Geschäftsführer sind – wie es für Vorstände im Aktiengesetz vorgeschrieben ist – verpflichtet, ein Risikomanagement in ihrem Unternehmen zu installieren. Konkret sollen sie ein Controlling aufbauen, mit dessen Hilfe sie sich jederzeit über die finanzielle und wirtschaftliche Lage der GmbH informieren können. Das Ziel: Sämtliche Risiken für die GmbH – insbesondere die Liquiditäts- und Umsatzentwicklung – sollen frühzeitig erkannt und dokumentiert werden.
Das Risikomanagement-System umfasst alle betrieblichen Bereiche, von denen eine Gefahr für den Ablauf oder Fortbestand der Gesellschaft ausgeht. Mit erfasst werden dabei auch die Bereiche, deren Risiko bereits über Versicherungen abgedeckt ist (Diebstahl, Produktionsausfall, Krankheit/Schwangerschaft usw.). Der Geschäftsführer trägt die Verantwortung dafür, dass der Versicherungsumfang angemessen ist und den Bestand sowie Fortgang des Unternehmens sichert.
Das Risikomanagement umfasst u. a. die folgenden Maßnahmen:
- Aufstellung eines individuellen Katalogs offener und versteckter Risiken im Unternehmen (dabei müssen alle Bereiche von der Produktion bis zur Verwaltung, Einkauf, Vertrieb „gecheckt“ werden).
- Verantwortlichkeiten müssen festgelegt und deren Überwachung sichergestellt werden.
- Ein internes Berichtswesen ist einzuführen und von allen Beteiligten einzuhalten (beispielsweise muss der Einkauf den Vertrieb über den Lieferverzug des Zulieferers informieren).
- Verbesserungsmöglichkeiten müssen regelmäßig geprüft und bekannt gemacht werden.
Hinweise: Die Einführung eines Risikomanagement-Systems verringert nicht nur die Haftungsrisiken des Geschäftsführers, sondern fördert auch die Finanzierung der GmbH. Im Hinblick auf die Kreditvergabebedingungen der Banken kann der Aufbau eines Risikomanagement-Systems zum dauerhaften Erfolg der GmbH beitragen. Bei einem „Rating” kommt neben der Beurteilung der finanziellen Verhältnisse auch der Qualität der Geschäftsführung sowie der Organisation der GmbH ein hoher Stellenwert zu.
Bei unternehmerischen Entscheidungen steht den Geschäftsführern im Rahmen des Unternehmensgegenstandes grundsätzlich ein haftungsfreier Handlungsspielraum, ein unternehmerisches Ermessen, zu. Leistet der Geschäftsführer einer GmbH aber z. B. Anzahlungen an eine im Gründungsstadium befindliche GmbH auf einen Kfz-Verkauf, ohne diese durch Aval- oder Vertragserfüllungsbürgschaften abzusichern, entspricht dies nicht den Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Geschäftsmanns.
2.2 Ordentliche Buchführung und zeitnaher Jahresabschluss
Geschäftsführer müssen intern dafür sorgen, dass sie jederzeit die erforderliche Übersicht über die wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse der GmbH haben. Eine der wichtigsten Aufgaben des Geschäftsführers ist dabei die ordnungsgemäße Buchführung und Bilanzierung und Einreichung der elektronischen Bilanz (sog. E-Bilanz) incl. elektronischer Gewinnermittlung.
Auf der Basis einer zeitnahen Finanzbuchhaltung erhält der Geschäftsführer eine aktuelle aussagekräftige Liste der offenen Posten, die ihm einen umfassenden Überblick über unvollständige oder offenstehende Zahlungen verschafft. Elementare Aufgaben der Debitorenbuchhaltung sind dabei die korrekte und zeitnahe Rechnungsstellung, die Datenhaltung der Kunden, wie z. B. Adressen, Bankverbindung wegen Lastschrift-Einzugsermächtigung, und die Kontrolle und Verwaltung der offenen Forderungen (Überwachung der Fälligkeiten). Sie muss Informationen über Zahlungsverhalten und Änderungen in der Geschäftsführung der Kunden an den eigenen Geschäftsführer weiterleiten, damit letzterer risikogerechte Vereinbarungen treffen kann.
Der handelsrechtliche Jahresabschluss (mit Lagebericht) ist vom Geschäftsführer grundsätzlich bis Ende März des Geschäftsjahres für das vorangegangene Jahr aufzustellen. Kleine Kapitalgesellschaften dürfen den Jahresabschluss (ohne Lagebericht) später aufstellen, wenn dies einem ordnungsgemäßen Geschäftsverlauf entspricht (spätestens in den ersten sechs Monaten des Geschäftsjahres). Fristverletzungen haben im Insolvenzfall strafrechtliche Folgen.
Hinweise: Eine frühzeitigere Erstellung ist aber sinnvoll, weil sie u. a. den Status der Liquidität aufzeigt, welche Forderungen bereits ausgebucht werden mussten und welche wertberichtigt sind. Die Gewinnermittlung im Vergleich zum Vorjahr zeigt, in welchem Bereich es u. U. kurzfristige Umsatzsteigerungsmöglichkeiten gibt. Rückgänge von Bestellungen können bzw. müssen hinterfragt werden.
Den äußeren Anlass für eine Überschuldungsprüfung kann der Geschäftsführer ohne weiteres der Handelsbilanz entnehmen, wenn diese eine Unterdeckung (rechnerische Überschuldung) aufweist.
Bei der Bilanzierung ist lt. Handelsrecht grundsätzlich von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen, sofern dem nicht tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen. Die gilt selbst bei Zweifeln an der Überlebensfähigkeit so lange, wie nicht Umstände sichtbar werden, die die Fortführung unwahrscheinlich erscheinen lassen oder zweifelsfrei Unmöglichkeit der Fortführung bekannt ist.
Das Oberlandesgericht Schleswig hat 2010 entschieden, dass sich ein Geschäftsführer nicht mit schuldbefreiender Wirkung darauf berufen kann, dass er nicht die erforderlichen Kenntnisse für das Geschäftsführeramt besessen hat. Er muss sich bereits bei Übernahme des Geschäftsführeramts zunächst selbst die notwendigen steuerlichen und handelsrechtlichen Kenntnisse verschaffen und entsprechende Informationen einholen.
2.3 Kapitalerhaltung
Häufig wird bei der GmbH-Gründung zunächst nicht der volle Geschäftsanteil eingezahlt. Nach der Satzung ist dies meist erst nach einem entsprechenden Gesellschafterbeschluss nötig. Der Geschäftsführer muss dann aber unmittelbar nach Beschlussfassung die ausstehenden Stammeinlagen einfordern.
Der Grundsatz des Gläubigerschutzes verlangt, dass das zur Aufrechterhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft nicht an die Gesellschafter ausgezahlt werden darf. Etwas anderes gilt nur, wenn die Auszahlung durch einen vollwertigen Gegenleistungsanspruch zugunsten der GmbH gedeckt ist (z. B. Darlehen an Gesellschafter gegen selbstschuldnerische Bankbürgschaft). Ein Verstoß gegen das Kapitalerhaltungsverbot liegt z. B. auch vor, wenn an den Gesellschafter-Geschäftsführer ein überhöhtes Gehalt (verdeckte Gewinnausschüttung) gezahlt wird. Dem Geschäftsführer selbst darf die GmbH unter keinen Umständen einen Kredit gewähren, soweit das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen betroffen ist. Geschäftsführer dürfen an die Gesellschafter zudem keine Zahlungen leisten, wenn und soweit dadurch eine bilanzielle Unterdeckung oder gar eine Überschuldung herbeigeführt oder vertieft wird.
Der Geschäftsführer muss eine außerordentliche Gesellschafterversammlung spätestens dann einberufen, wenn 50 % des Stammkapitals verbraucht sind (Ausnahme: Einpersonen-GmbH). Dieser Umstand liegt vor, wenn das Vermögen einer GmbH (Aktiva abzüglich Passiva) nur noch die Hälfte des gesetzlichen bzw. satzungsmäßigen Stammkapitals deckt. Ob der Verlust in Höhe der Hälfte des Stammkapitals vorliegt, bestimmt sich nach den für die Jahresbilanz geltenden handelsrechtlichen Regeln. Der Geschäftsführer darf aber nicht bis zur Vorlage einer Bilanz warten, sondern muss bereits tätig werden, wenn Anzeichen einer kritischen Entwicklung erkennbar sind.
Hinweise: Ein Verzicht der Gesellschafter auf eine etwaige Information ändert nichts an der Anzeigepflicht des Geschäftsführers. Eine nicht durch einen Geschäftsführer erlangte Kenntnis der Gesellschafter befreit den Geschäftsführer ebenfalls nicht von seiner Verpflichtung.
Häufig wird die Verletzung der Verlustanzeigepflicht erst in der Insolvenz entdeckt. Der Insolvenzrichter kann die Insolvenzakte der Staatsanwaltschaft zur Prüfung vorlegen. Zumindest fahrlässiges Handeln wird ein Strafrichter dem Geschäftsführer nach Erhebung der Anklage, z. B. aufgrund der GmbH-Bilanzen, nachweisen können. Damit droht im besten Fall eine Geldstrafe und im schlechtesten Fall eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr.
Ist das gesamte Eigenkapital (Stammkapital und Rücklagen) der GmbH durch Verluste aufgebraucht und ergibt sich ein Überschuss der Passivposten über die Aktivposten, ist dieser Betrag am Schluss der Bilanz auf der Aktivseite gesondert unter der Bezeichnung „Nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag“ auszuweisen. Steht die bilanzielle Überschuldung, d. h. ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag fest, muss der Geschäftsführer überprüfen, ob auch eine rechtliche Überschuldung vorliegt (vgl. Artikel 3 dieser Serie).
Hinweis: Bitte nehmen Sie auch jegliche Warnungen bezüglich möglicher Insolvenzgründe ernst. Ihr Steuerberater verpflichtet, Sie auf eine bestehende Insolvenzreife hinzuweisen.
2.4 Vermögen und Liquidität
Geschäftsführer müssen sich jederzeit über die finanzielle und wirtschaftliche Lage der GmbH informieren (können). Risiken für die GmbH sollen frühzeitig erkannt und dokumentiert werden. Indikatoren hierfür können die Liquiditäts- und Umsatzentwicklung sein. Zu diesem Zweck muss der Geschäftsführer ein System einrichten, das es ihm ermöglicht, alle für die wirtschaftliche Lage der GmbH erforderlichen Daten zu erhalten und auszuwerten. Das System muss regelmäßig auf seine Effizienz überprüft und ggf. angepasst werden. Die Liquidität der GmbH ergibt sich aus dem Kassenbestand, Kontoguthaben, Kreditlinien, Mitteln und Vermögensgegenständen, die kurzfristig in Liquidität gewandelt werden können.
Folgende Pflichten obliegen dem Geschäftsführer u. a.:
- laufende Überwachung der Kreditgeschäfte;
- Markt- und Konkurrenzbeobachtung;
- Beobachtung des Verhaltens von Kunden und Lieferanten;
- Bonitätsprüfung von neuen Kunden (je höher der Forderungsausfall sein kann, desto wichtiger und umfassender müssen die Informationen sein);
- Berechnung und Überwachung des Bedarfs an liquiden Mitteln und Liquiditätsplanung.
Die richtige Vertragsgestaltung mit Kunden trägt dazu bei, dass das Risiko des Forderungsausfalls bei der GmbH minimiert wird. Dazu gehören das Aushandeln der Zahlungskonditionen (Fälligkeit, Vorkasse, Abschlagszahlungen) und die Vereinbarung von Sicherheiten (z. B. Eigentumsvorbehalt, Zahlungsbürgschaft, Bauhandwerkersicherungshypothek, Bauhandwerkersicherung).
Das Zahlungsverhalten von privaten und gewerblichen Kunden, bedingt durch deren eigene bestehende Überschuldung oder drohende Zahlungsunfähigkeit, ist meist ein wesentlicher Grund für finanzielle Schwierigkeiten einer GmbH. Ein professionelles Forderungsmanagement ist daher für jede GmbH zwingend. Mit der Reduzierung von Forderungsausfällen steigt die eigene Liquidität, die z. B. für Investitionen dringend benötigt wird. Für Banken ist ein funktionierendes Forderungsmanagement immer ein wichtiges Rating-Kriterium.
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