Pflichten des GmbH Geschäftsführers in der Krise (4/5)
Kategorien: Krise
Schlagwörter: Insolvenz,KMU,Krise,Rechtliches
In dieser mehrteiligen Serie geben wir einen detaillierten Überblick über die Pflichten eines GmbH-Geschäftsführers in der Unternehmenskrise.
Überblick über die Serie:
- Überblick
- Vorbeugende Maßnahmen
- Durchführung einer Insolvenzprüfung
- Maßnahmen des Geschäftsführers in der Krise (aktueller Artikel)
- Persönliche Haftungsrisiken des Geschäftsführers
4. Maßnahmen des Geschäftsführers in der Krise
Ist die Hälfte des Stammkapitals verloren, muss der Geschäftsführer der GmbH unverzüglich eine Gesellschafterversammlung einberufen (vgl. den zweiten Teil dieser Seire). Sollte er sein Amt in der Krise niederlegen (wollen), würde dies nichts an seiner persönlichen Haftung ändern.
4. Masseerhalt/Zahlungsverbot
Nach Eintritt der Insolvenzreife dürfen innerhalb der dreiwöchigen Insolvenzantragsfrist keine Leistungen oder Lieferungen aus dem Gesellschaftsvermögen mehr erbracht werden, die die Masse schmälern und die Insolvenzquote der Gläubiger in einem späteren Insolvenzverfahren verringern würden. Stellt der Geschäftsführer daher fest, dass die Zahlungsunfähigkeit droht, muss er zudem (weitere) Ausgaben auf ein absolutes Minimum beschränken und den Gläubigern eine Ratenzahlung anbieten bzw. diese um Stundung bitten.
Der Bundesgerichtshof hat Anfang 2012 entschieden, dass der Insolvenzverwalter die Prämien zur Direktversicherung des Geschäftsführers, die die GmbH nach drohender Zahlungsunfähigkeit geleistet hat, von der Versicherung zur Masse fordern kann. Zulässig sind hingegen die Zahlungen von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen (vgl. hierzu den fünften Teil dieser Serie). Des Weiteren darf der Geschäftsführer auch solche Leistungen aus dem Vermögen der Gesellschaft erbringen, die erforderlich sind, um
- einen sofortigen Zusammenbruch der Gesellschaft zu verhindern und hierdurch aussichtsreiche Sanierungsmaßnahmen zu ermöglichen sowie
- größere Schäden z. B. durch eine sofortige Betriebsstilllegung zu verhindern.
Hinweis: Sein Gehalt muss der Geschäftsführer bei drohender Zahlungsunfähigkeit nach Ansicht des Oberlandesgerichts Köln zugunsten der Gesellschaft reduzieren. Grundlegend hierfür sei das Aktiengesetz, wonach bei einer wesentlichen Verschlechterung der Verhältnisse der Gesellschaft eine angemessene Reduzierung der Vorstandsbezüge erfolgen kann. Diese Regelung sei im Einzelfall entsprechend für Gesellschafter-Geschäftsführer anwendbar. Der Insolvenzverwalter wird unter Bezugnahme auf dieses Urteil anteilig aus seiner Sicht zu viel gezahltes Geschäftsführergehalt zugunsten der Insolvenzmasse vom Geschäftsführer einfordern. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat dieses Rückforderungsrecht dagegen Ende 2011 bei einer marktüblichen Vergütung aufgrund eines Anstellungsvertrags verneint.
4.2 Maßnahmen zur Beseitigung der rechtlichen Überschuldung
Beim Rangrücktritt vereinbaren Gläubiger und Schuldner, dass die Forderung des Gläubigers im Rang hinter allen anderen Forderungen gegen die Gesellschaft (ggf. begrenzt auf einen bestimmten Zeitraum) zurücktritt. Der Bestand der Forderung bleibt unberührt; der im Rang zurücktretende Gläubiger kann in der Insolvenz jedoch nur als nachrangiger Insolvenzgläubiger auftreten. Daraus folgt, dass ein Rangrücktritt allein keine Sanierungsmaßnahme ist; denn der Rückzahlungszeitpunkt wird lediglich verschoben. Die tatsächliche Überschuldung wird nicht beseitigt, weil die vom Rangrücktritt erfasste Forderung nach wie vor als Passivposten in der Handels- und Steuerbilanz aufgenommen werden muss.
Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen (Verbindlichkeiten der GmbH) sind nach dem Gesetz nicht im Überschuldungsstatus zu passivieren, soweit ein wirksamer Rangrücktritt hinter die nachrangigen Insolvenzgläubiger vereinbart wurde.
Der Bundesgerichtshof hat im Jahr 2015 ausführlich dargestellt, unter welchen Voraussetzungen eine Verbindlichkeit nicht in der Überschuldungsbilanz aufgenommen werden muss (qualifizierte Rangrücktrittsvereinbarung).
Eine Rangrücktrittsvereinbarung muss nicht nur den insolvenzrechtlichen Anforderungen genügen, sondern auch steuerrechtlich so gestaltet werden, dass es nicht zu unerwünschten Gewinnen bei der GmbH führt.
Hinweis: Sprechen Sie uns an, damit bestehende und neue Rangrücktrittserklärungen der aktuellen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs entsprechen.
Spricht ein Gläubiger dagegen einen Forderungsverzicht aus, entfällt die Verbindlichkeit in der Bilanz des Unternehmens. Zudem entfällt ein Zinsanspruch des Gläubigers, wodurch eine Liquiditätsentlastung eintritt. Rechtlich ist für den Forderungsverzicht ein Erlassvertrag erforderlich.
Die ordentliche Kapitalerhöhung gegen Einlagen bei der bestehenden GmbH ist mit der Aufbringung des Stammkapitals bei einer GmbH in Gründung vergleichbar. Bei der Kapitalerhöhung werden dem Vermögen der GmbH von außen neue Mittel durch Erhöhung des Stammkapitals zugeführt und damit der Nennbetrag bestehender Geschäftsanteile erhöht. Gesellschafter müssen alle Vorschriften, die für die Aufbringung des Gründungskapitals gelten, auch bei der Kapitalerhöhung beachten.
Hinweis: Der Beschluss über eine Kapitalerhöhung ändert immer auch den Gesellschaftsvertrag. Die geänderte Satzung muss notariell beurkundet und die Änderung in das Handelsregister eintragen werden.
4.3 Maßnahmen zur Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit
Die Fälligkeit einer Forderung kann nur durch Stundungsvereinbarung (= zivilrechtlicher Vertrag mit dem Gläubiger) auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden. Bei entsprechender Zusage seitens der Gläubiger wird zudem wichtige Zeit gewonnen, um weitere Maßnahmen zur Liquiditätsgewinnung zu prüfen und zu ergreifen (z. B. Abverkauf von Lagerbeständen, „Sale and lease back“).
Des Weiteren können Forderungen einzeln an die Gläubiger zur Erfüllung eigener Verbindlichkeiten (Aufrechnung) oder zur Sicherheit abgetreten werden. Vorsicht ist bei zweifelhaften Forderungen geboten. Selbstverständlich müssen Eigentumsvorbehalte von Lieferanten und ggf. das Vorliegen einer Globalzession zugunsten der Bank beachtet werden. Zur Verstärkung der Liquidität können die Forderungsbestände u. U. mit Abschlägen verkauft bzw. zwischenfinanziert werden.
In der Krise sind Mahn- und Klageverfahren zu geld- und zeitaufwendig. Hier sollte daher versucht werden, die eigenen Schuldner mit großzügigen Abschlägen zur sofortigen Zahlung zu bewegen.
Die Kreditaufnahme eignet sich nur bei einer positiven Zukunftsprognose der GmbH. Als Kreditgeber kommen neben Kreditinstituten und verwandten Branchen, Arbeitnehmer und Lieferanten in Frage (z. B. durch Gehalts- oder Rechnungsstundung). Gesellschafter, die der GmbH in der Krise Kredite gewähren, müssen davon ausgehen, dass diese bei Scheitern der Sanierung verloren sind.
Beispielsweise in Maschinen gebundenes Eigenkapital kann mithilfe des „Sale and lease back“ schnell aktiviert werden. Die GmbH verkauft dabei ihr gebrauchtes, bewegliches Anlagevermögen und erhält dafür sofort den Kaufpreis ausgezahlt. Direkt im Anschluss werden die Maschinen oder Anlagen zurückgeleast.
Ein Moratorium mit der Bank ist ein Stillhalteabkommen auf Zeit und muss ausdrücklich vereinbart werden. Lässt die Gläubigerbank einfach zu, dass die Kreditlinie überzogen wird, ohne dies zu beanstanden, beseitigt dies die Zahlungsunfähigkeit nicht. Dasselbe gilt, wenn Kredite stillschweigend weiter gewährt werden.
In der Krisensituation kann der Gesellschafter-Geschäftsführer ferner verpflichtet sein, vorübergehend ganz oder teilweise auf sein Gehalt zu verzichten, um die GmbH zu retten. Dies ist der Fall, wenn fällige Rechnungen ansonsten nicht beglichen werden können.
Hinweis: Damit das Finanzamt im „Gehaltsverzicht auf Zeit“ keine verdeckte Gewinnausschüttung sieht, sollte zuvor der Anstellungsvertrag entsprechend geändert werden. Außerdem muss die Gesellschafterversammlung der Gehaltsreduzierung zustimmen.
4.4 Prüfung der Sanierungsfähigkeit
Die Drei-Wochen-Frist (vgl. Teil drei dieser Serie) ist für Sanierungsmaßnahmen zu nutzen. Sind sie erfolgreich, entfallen dadurch der Insolvenzgrund und damit die Antragspflicht. Allerdings ist der Insolvenzantrag vor Ablauf der Drei-Wochen-Frist zu stellen, wenn bereits vorher erkennbar ist, dass eine Sanierung innerhalb dieses Zeitrahmens unmöglich ist und die Zahlungsverpflichtungen auch mittelfristig nicht getilgt werden können. Der Geschäftsführer hat zwar einen gewissen Beurteilungsspielraum; jedoch kommt es auf die Sicht eines ordentlichen Geschäftsleiters an. Der Geschäftsführer sollte sich daher immer fachkundig beraten lassen. Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg rechtfertigen Erfolg versprechende Sanierungsbemühungen u. U. eine maßvolle Verlängerung der Drei-Wochen-Frist. Da eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht getroffen wurde, ist immer Vorsicht bei Überschreiten der Drei-Wochen-Frist geboten.
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